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Patricia Petibon

 

 

Fotos: Universal, APA

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Michael Schade

 

 

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Annette Dasch

 

 

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Jonas Kaufmann

 

 

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Anna Netrebko

 

 

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Arme, geplagte Salzburger Festspiele - was müssen sie nicht alles sein! Kommerzfreier Kunsttempel. Ort der Tradition, aber auch Eldorado der Moderne. Und als wär das alles nicht schon eine ganz verwirrende Menge, sollen auch Reichweite und Einnahmen stimmen, soll der Party-Zirkus der Prominenz und der Sponsoren an der Salzach glücklich werden. Nebst Talentförderung möge es aber bitte auch an Stars nicht fehlen - wehe jenem Intendanten, der sie nicht im ausreichenden Maße präsentiert.

Im Windschatten all dieser schwer zu vereinenden Ansprüche hat sich in Salzburg auch die leidgeprüfte CD-Branche wieder niedergelassen. Sie hofft auf gleißende Erfolge der eigenen CD-Stars; sie versucht, hoffentlich erfolgreiche Salzburg-Debüts von Neulingen als Anschubser für internationale Verkaufskarrieren zu nutzen. Kein Wunder also: Jenes Theater, das um die jeweilige neue Jedermann-Buhlschaft veranstaltet wird, versucht man auch im vokalen Bereich zu inszenieren. Das war unter Intendant Gerard Mortier nicht der Fall. Der streitbare Belgier legte sich einst mit den CD-Firmen an, die zuvor unter Herbert von Karajan stolz Präsenz gezeigt hatten. Und als die CD-Krise begann, die noch fortdauert, begannen sich die Labels ohnedies von sich aus zurückzuziehen.

Dann allerdings kam die Intendanz Peter Ruzickas und mit ihr bei der ersten Premiere eine junge Russin, die in Don Giovanni alles überstrahlte. Anna Netrebko wurde zur Sensation, und da es gelang, den Salzburg-Schwung zu nützen, es explodierte ihre Karriere (betreut von der Deutschen Grammophon), und es verfestigte sich die Meinung, dass Salzburg die Chance bietet, das schwächelnde CD-Geschäft zu beleben. Nach Netrebko versuchten es Sony/BMG nicht ohne Erfolg mit Annette Dasch, die gleich als neue Netrebko missgedeutet wurde; und natürlich profitierte auch Tenor Rolando Villazón. Er wurde in Salzburg als Netrebkos Traviata-Traumpartner bejubelt. Die passende CD erschien natürlich auch bei der Deutschen Grammophon.

Und weiter ging's: Als Netrebko als Julia ausfiel, war schnell mit Nino Machaidze der nächste Stern gefunden, von dem Intendant Jürgen Flimm meinte, "sie würde wie eine Rakete abgehen!" Es ging ganz gut; besser erging es in Salzburg aber vergangenen Sommer Bariton Erwin Schrott. Auch er profitierte vom Netrebko-Hype, auch wenn es ihm selbst wohl unheimlich war. Als Ehemann der Russin hatte er allerdings auch keine Wahl. Hätte er die Beziehung leugnen sollen? Jedenfalls: Nach all den Berichten, die sich eher nur mit der Liaison befassten, war das Staunen groß, dass Schrott auch singt. Und dies gut.

Es ist also schon Tradition: Jedes Jahr ergibt sich in Salzburg eine Koalition aus gierigem Boulevard und einer auf Gewinne hoffenden CD-Branche. Doch solange dies nicht überhand nimmt, können sich auch die Festspiele über Zusatzwerbung freuen. Mit Berichten über vermeintliche und echte Stars wird auch die Marke Salzburg global verbreitet. Ob auch in diesem Jahr ein Name zum Star hochspekuliert wird? Das Musiktheater-Programm zwischen Nono und Mozart bietet wenig Gelegenheit, mit Arienprunk zu glänzen. Aber vielleicht probiert man es mit der französischen Sopranistin Patricia Petibon. Sie hat in Così fan tutte zwar nur eine kleine Rolle als Despina, aber sie inszeniert sich als schrill-kindliche Lady und hat schon gute Kontakte zu den Major Labels. Mit Sicherheit wird es wieder eine Netrebko-Hysterie geben, auch wenn sie nur einen Liederabend gibt.

Die Königin der Opernmassen ist wieder aktiv, in München sang sie vor 15.000 Leuten, und nach wie vor wird jede ihrer Aussagen als kostbar gewertet. Auch wenn es sich um wenig Tiefschürfendes handelt, auch wenn sie nur vermeldet, dass sie ihrem Sohn Tiago Arua keine Wiegen- und Schlaflieder singt. Denn bei Musik schläft der Sprössling nicht ein, sondern wird erst richtig munter.

Solche Geschichten wird man von Sopranistin Christine Schäfer nicht hören. Sie würde sie auch nicht erzählen, sie ist quasi das unkommerzielle Gegenmodell zu Netrebko. Als Sängerin etabliert. Schon oft in Salzburg, dabei auch als Bühnenpartnerin (in Figaro) oder Ersatz von Netrebko erfolgreich. Die Deutsche denkt gar nicht daran, Interviews zu geben oder sich vermarkten zu lassen. Sie hatte ihre Erfahrungen mit den Labels (Deutsche Grammophon), das hat gereicht. Mit ihr wird kein Hype zu inszenieren sein. Wie auch mit Annette Dasch nicht, die in Armida wiederkommt, und auch nicht mit Magdalena Kozená, Ehefrau von Simon Rattle. Die Damen sind etabliert, aber Hysterie erwecken sie keine, wollen es auch nicht. Wie auch Tenor Michael Schade. Ist ja auch nicht ungefährlich - siehe Villazón.

Der Romeo des vergangenen Sommers fehlt heuer überall. Eine Stimmbandoperation, die nun gut verlaufen sei, zwingt den extrovertierten Typen zur Pause. Er scheint das aktuellste Opfer einer gierigen Branche zu sein, wobei sein Naturell auch nicht hilfreich war. "Nach der Salzburger Traviata ist meine Karriere explodiert, der Terminkalender wurde zu voll. Hinzu kommt: Es ist bei mir so eine Energie da. Es ist nicht leicht für mich zu sagen: 'Jetzt, beim Interview, spreche ich leise.' Ich möchte ich bleiben, ich weiß, das ist gefährlich." Nun, die Deutsche Grammophon setzt mittlerweile jedenfalls auf Tenor Jonas Kaufmann. Der kommt auch nach Salzburg, wo er einst aber nicht entdeckt wurde.

Er sang hier schon bei Mozarts Entführung, die Leute buhten ob der Inszenierung, da rief Kaufmann: "Es steht jedem frei, nach Hause zu gehen!" Es hätte also schon 2003 der Beginn einer großen Karriere (mit einem Pöbel-Skandal) werden können. Man sieht also: Salzburg hilft. Aber Karriere geht auch ohne Salzburg. (Ljubisa Tosic / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 31.7.2009)