Dieser Wald enthält viele Bäume, die durch Borkenkäferbefall abgestorben sind.
Rupert Seidl

Die Forstwirtschaft ist ein Geschäft, das in langen Zeiträumen rechnet. Bäume müssen viele Jahrzehnte wachsen, bevor sie geschlagen werden können. In Zeiten immer schnellerer Klimaveränderungen wird die Frage, welche Baumarten für künftige Nutzwälder aufgeforstet werden können, ein echtes wissenschaftliches Problem.

Diese Frage untersuchten nun Johannes Wessely und Stefan Dullinger gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen von der Universität Wien und Forschenden von der Universität München. Von den Ergebnissen berichten sie in einer neuen Studie im Fachjournal Nature Ecology & Evolution.

Kälte und Frost

"Bäume, die jetzt zur Wiederaufforstung gepflanzt werden, müssen sowohl unter heutigen wie auch zukünftigen Bedingungen bestehen", sagt Wessely. "Das ist deshalb schwierig, weil sie sowohl Kälte und Frost der nächsten Jahre wie auch einem deutlich wärmeren Klima Ende des 21. Jahrhunderts standhalten müssen. Da bleibt nur eine sehr kleine Schnittmenge."

Dafür geeignet seien nur wenige Arten, darunter die Stieleiche in den tieferen Lagen und die Weißtanne in den Bergwäldern. Die Untersuchung umfasste die 69 verbreitetsten unter den etwa 100 europäischen Baumarten und ergab, dass pro Standort in Europa im Schnitt nur neun Arten den Anforderungen Zukunft gewachsen sind. In Österreich sind es immerhin zwölf Arten.

Wenige Arten

Für einen funktionierenden Mischwald seien wenige Arten ein Problem, betonen die Forschenden. "Gemischte Wälder aus vielen Baumarten sind eine wichtige Maßnahme, um Wälder robuster gegen Störungen wie Borkenkäfer zu machen. Mancherorts könnten uns in Europa jedoch die Baumarten ausgehen, um solche bunten Mischwälder zu begründen", erklärt Studienautor Rupert Seidl von der Technischen Universität München.

Das Team untersuchte auch, welche der überlebensfähigen Arten weitere wichtige Rollen im Wald erfüllen können, darunter Funktionen wie Kohlenstoffspeicherung, Lebensraum für Tiere oder Verwendung als Nutzholz. Von den durchschnittlich neun klimafitten Arten könnten nur drei auch diese Funktionen erfüllen.

Stieleiche
Stieleichen gehören zu den Bäumen, die hierzulande in niedrigen Lagen auch in Zukunft gut wachsen können.
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Dass das für die Holzwirtschaft zum Problem wird, zeigten bereits frühere Studien. Besonderer Beliebtheit erfreut sich hierzulande die Fichte. Sie hat als Bauholz einige entscheidende Vorteile, die dazu führten, dass sie auch in Österreich weit verbreitet ist. Laut einem Bericht der International Union of Forest Research Organizations (IUFRO) könnte die für Fichtenwald geeignete Waldfläche um bis zu 50 Prozent schrumpfen. "À la longue wird die Fichte als dominierende Weichholzbaumart nicht mehr verfügbar sein. Auf kurze Sicht fällt gleichzeitig viel verwertbares Holz an, etwa durch Käferbefall, Windwurf oder Waldbrände", erklärte dazu Studienmitautor Florian Kraxner vom Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA).

Langer Betrachtungszeitraum

Dass die Fichte in unseren Breiten keine rosige Zukunft hat, ist also aus früheren Untersuchungen bekannt. Die neue Studie stellt aber einen wichtigen Fortschritt gegenüber bisherigen Untersuchungen dar, wie unabhängige Fachleute betonen. "Neu an dieser Arbeit ist, dass nicht nur die heutige und die zukünftige Arealeignung für Baumarten bestimmt wurde, sondern dass die Dynamik des Klimawandels mit den langen Umtriebszeiten, wie sie in der Forstwirtschaft üblich sind, in Bezug gesetzt wurde", sagt Arthur Gessler von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft in der Schweiz. "Deswegen bietet die Studie wichtige Informationen, welches Artenportfolio für heutige waldbauliche Maßnahmen zur Verfügung steht und welches auch noch zum Ende des Jahrhunderts für einen gegebenen Standort geeignet ist."

Das Ergebnis zeige, dass in der Forstwirtschaft künftig auch Baumarten zum Einsatz kommen müssten, die keinen direkten Ertrag bringen, sondern neben Nutzbäumen in einem gesunden Mischwald stehen, um keinen engen "Flaschenhals" mit zu wenigen Arten zu erzeugen.

Weniger attraktive Arten

"Das muss dann auch heute wirtschaftlich wenig attraktive Baumarten wie Spitzahorn, Hainbuche, Winterlinde und Elsbeere einschließen, die deutlich trockenstresstoleranter als die Hauptbaumarten sind", sagt Christoph Leuschner von der deutschen Georg-August-Universität in Göttingen. Diese etwa fünf bis zehn stresstoleranten heimischen Laubbaumarten fehlten in der heutigen Waldbauplanung weitestgehend, weil die Holzindustrie komplett auf Nadelholz eingestellt sei. "Hier müsste eine wahre Waldwende ansetzten und die stoffliche Holznutzung auf Laubholz umstellen", sagt Leuschner.

Im Vordergrund sind die stehenden Zapfen einer Weißtanne zu sehen, die bei uns in höheren Lagen auch in Zukunft gute Bedingungen vorfinden wird. Die hängenden Zapfen im Hintergrund gehören zu einer Fichte.
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Das bestätigt auch Gessler: "Der Bottleneck-Effekt ist für die Forstpraxis von sehr großer Bedeutung, da Transformationen der Baumartenzusammensetzung ja sehr langfristig geplant werden müssen. Durch die eiszeitliche Historie – zusammen mit der Ost-West-Ausrichtung der Gebirgszüge – ist das aktuelle Baumartenspektrum in Europa klein, und auch durch neue Krankheiten – zum Beispiel die Eschenwelke – gibt es weitere Einschränkungen." Mit der neue Studie sei nun eine fundierte Entscheidungsgrundlage für Politik und Holzwirtschaft gegeben.

"Unsere Arbeit zeigt deutlich, wie stark die Vitalität von Wäldern durch den Klimawandel beeinträchtigt wird. Wir können uns nicht nur auf einen neuen Mix aus Baumarten verlassen, rasche Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels sind essenziell für eine nachhaltige Sicherung unserer Wälder", sagt Wessely.

Kritik an Waldschutzbestimmungen

Waldbewirtschaftung wird also schwieriger. Zusätzlich kommen weitere Vorgaben auf die Forstwirtschaft zu. Dabei soll auf globaler Ebene Wald geschützt werden, indem illegale Abholzung, vor allem in Regenwäldern, verhindert wird. Nötig ist dafür die Kontrolle der Lieferketten, um feststellen zu können, ob in der EU illegal geschlagenes Holz zum Einsatz kommt. Die Richtlinie heißt EU Deforestation Regulation (EUDR).

Darüber gibt es derzeit einige Aufregung. Landwirtschaftskammerpräsident Josef Moosbrugger sagte dazu dem Radiosender Ö1, Waldbesitzer müssten, etwa bei Lieferung an einen Tischler, "für jeden Stamm die genauen GPS-Daten" und den lateinischen Artennamen nachweisen. Die Verordnung sei an Bürokratie nicht zu überbieten.

Davon, die GPS-Daten jedes einzelnen Baumes in einem Wald zu erheben, ist allerdings in der EU-Richtlinie nicht die Rede. Hier geht es darum, geografische Informationen Grundstück für Grundstück zu erheben, um sicherzustellen, dass es sich tatsächlich um Holz "made in Austria" handelt. (Reinhard Kleindl, 29.4.2024)