Frauenhände tippen auf einer Schreibmaschine
Welche Arbeit geht endgültig, welche bleibt, welche verändert sich?
IMAGO/RODOBOT

Wir sind beschäftigt mit der Debatte um die Arbeitszeit. Faulpelze? Teilzeitler? Leistung! Das ist wichtig, aber damit wird versucht, den Elefanten im Raum der Arbeitswelt bloß nicht zu thematisieren. Jetzt aber wirklich, wird uns aber versichert. Jetzt steht wirklich der Mensch im Mittelpunkt der Arbeitswelt. Wir sind ja schließlich ins Zeitalter der Künstlichen Intelligenz geschubst worden. Und nun wird ausschlaggebend, was nur Menschen können: Empathie, Kollaboration, kritisches Denken.

Solche "Skills" nennen globale Beratungshäuser wie McKinsey als die Zukunft für uns. Klingt gut. Aber was bedeutet es genau, wenn uns gleichzeitig prognostiziert wird, dass die neuen Technologien bald Millionen von Jobs ersetzen werden, die derzeit noch von "teuren" Menschen erledigt werden – Berufe in Verwaltung, am Empfang, in der Administration, in der Nachrichtenauswahl, in der Bildungsvermittlung? Klassische Bürogeher-Arbeit, für die Menschen derzeit noch eine Lehre, eine berufsbildende höhere Schule oder ein Hochschulstudium absolviert haben.

Ungewissheit, Angst

Das macht Angst. Verständlich. Es lassen sich nun einmal nicht alle auf Empathie-Officers umschulen, es ist auch nicht aus jedem Lokheizer ein Uber-Fahrer geworden. Und: Führt mich eine Lehre als Verwaltungsassistentin noch in eine Berufszukunft? Eine bange und berechtigte Frage angesichts der Erkenntnis, dass sich Unternehmen von KI zunächst Effizienz- und Produktivitätsgewinne versprechen.

Wenn kritisches Denken das Unterscheidungsmerkmal gegenüber der Automatisierung wird, dann geht es auch um die Frage, was die Arbeit bewirkt. Also um den Sinn. Der kann nicht kiloweise aufgepflanzt werden, wie manche Personalverantwortliche das in Broschüren bewerben. Es bleibt, gerade für Junge, die bange Frage: "Was bewirke ich mit meiner Arbeit, die mich jahrzehntelang ernähren soll?" Das sind die großen Themen der Arbeitswelt. Wir haben darauf keine Antworten. Es gibt auch keine schnellen. Weder im Bildungssystem, das sich mit ChatGPT herumschlägt, noch im derzeitigen Labor der Arbeitgeberschaft.

Das ist noch gar nicht das Problem. Das Problem ist vielmehr, dass das Thema nicht angesprochen wird, nicht besprechbar gemacht wird. Stattdessen verstecken wir uns hinter einer Arbeitszeitdebatte zwischen links und konservativ, zwischen 32 Stunden und 41 Stunden. Aber die große Frage ist nicht, wie lange wer arbeitet, sondern wie Arbeit, die unsere Gesellschaft bestimmt, in den kommenden fünf, zehn Jahren aussehen kann.

Thema Arbeitsstunden

Ja, Arbeitsminister Martin Kocher hat ein Problem mit der enorm hohen Teilzeitquote. So lassen sich unsere Systeme nicht mehr finanzieren. Aber diese werden ohnedies von größeren Faktoren, eben etwa der KI, infrage gestellt. Diese Disruptionsfaktoren bleiben der Elefant im Raum der Arbeitswelt. Es stellen sich die meisten der Annahmen als wackelig heraus, was Prognosen betrifft. Individuell wie auch systemisch. Wir wissen nicht, wie wir Tanker wie das Bildungs- oder das Sozialsystem aufstellen sollen, um dem enormen Umbruch gerecht zu werden. Und das Arbeitsrecht?

Wir machen dieses große Ganze nicht zum Thema. Wir lassen uns Ablenkungsdebatten um mehr Arbeitsstunden, welche als mehr Leistung etikettiert werden, im Vorfeld des Wahlkampfs zum Nationalrat auftischen. Das reicht nicht. Wir brauchen mehr. (Karin Bauer, 28.4.2024)