Es bedarf eigentlich keines Blog-Eintrages für Strafverteidiger:innen. Denn dieser Job ist aufgrund von Serien wie "Better Call Saul", "Good Wife" oder "How to Get Away With Murder" (und vielen weiteren) ohnehin hinreichend bekannt. Abgebildet werden aber überwiegend US-Strafverteidiger:innen, aus Entertainment-Gründen in hochdramatischer Form. Der beliebte "Einspruch, euer Ehren" ist zumindest in Österreich nicht geläufig. An Dramatik fehlt es aber auch in Österreich nicht. Strafverteidiger:innen treten regelmäßig in den Medien auf, was oft in Verbindung mit dem Begriff "Litigation-PR" gebracht wird. Es gibt Star- und Promi-Anwält:innen, ja sogar der "Krieg der Staranwälte" wurde einmal (medial) ausgerufen. Auf ATV gibt es auch eine Sendung mit dem Titel "Die Strafverteidiger". Aber was genau ist die Aufgabe der Strafverteidiger:innen und braucht es sie wirklich?

Die Strafverteidiger:innen – ein historischer Rückblick

Die Bezeichnung als Strafverteidiger:in dient offensichtlich als Hinweis für Rechtssuchende, die Probleme mit den Strafbehörden haben, bald haben könnten oder vemeiden wollen. Auf Strafrecht spezialisierte Rechtsanwält:innen stellen die Mehrheit der Strafverteidiger:innen. Aber nicht alle Strafverteidiger:innen sind Rechtsanwält:innen.

Neben Rechtsanwält:innen sind "Verteidiger" laut Definition sonst gesetzlich berechtigte Personen sowie Universitätsprofessor:innen für Strafrecht und Strafprozessrecht. Zu letzteren zählt etwa der ehemalige Justizminister Wolfgang Brandstetter.

Mit sonstigen Berechtigten wird auf die sogenannte "Verteidigerliste" Bezug genommen, die beim jeweiligen Gerichtshof zweiter Instanz pro Gerichtssprengel geführt wurde. Neben Rechtsanwält:innen konnten sich auch Personen eintragen lassen, die die Rechtsanwalts- oder Notariatsprüfung zwar abgelegt, aber aus welchen Gründen auch immer den Beruf der Rechtsanwält:in oder Notar:in nicht weiter verfolgt haben. Diese Personen trugen üblicherweise den Titel "Strafverteidiger:in" um sich von Rechtsanwält:innen abzugrenzen.

Bände des Strafgesetzbuches
Die anwaltliche Vertretung vor Strafgerichten ist ein elementares Grundrecht und von einem funktionierenden Rechtsstaat nicht wegzudenken.
APA/HARALD SCHNEIDER

Die Bestimmung zur Verteidigerliste wurde zum 1.1.2008 abgeschafft. Dennoch bleiben zum 31.12.2007 eingetragene Strafverteidiger:innen berechtigt, bis zum 70. Lebensjahr vor Strafgerichten zu vertreten (§ 516 Abs 4 StPO). Heutzutage wird mit der Bezeichnung "Strafverteidiger:in" die Expertise im Strafrecht hervorgehoben. Es gibt aber genügend Rechtsanwält:innen in Strafsachen, die den Titel "Strafverteidiger:in" nicht führen. Der Titel ist selbstverliehen und hat keine Funktion als Gütesiegel.

Dennoch sind Strafverteidiger:innen die richtige Wahl, wenn es um die Vertretung in Strafverfahren geht. Das Prozessrecht unterscheidet sich ganz wesentlich vom Zivilverfahren. Rechtsvertretung auf unbekanntem Terrain kann fatal sein – und zwar in der Regel für den Angeklagten oder die Angeklagt. Rechtsmittel in Strafsachen sind technisch deutlich anspruchsvoller als Rechtsmittel in Zivil- oder Verwaltungsverfahren. Ein gesetzwidrig ausgeführtes Rechtsmittel kann schnell zum bitteren Ende des Verfahrens führen.

Zu Unrecht wurden Strafverteidiger:innen oft etwas belächelt. Es hielt sich hartnäckig das Gerücht, Strafverteidiger:innen würden nur um ein mildes Urteil bitten und Beziehungen zu Richter:innen pflegen. Die Realität könnte nicht unterschiedlicher sein. Verteidiger:innen sind eine zentrale Stütze eines Rechtsstaates. Es geht auch um viel – die persönliche Freiheit. Die emotionale Seite dieses Berufes ist spannend und fordernd zugleich.

Strafverteidigung als Grundrecht

Die anwaltliche Vertretung vor Strafgerichten ist ein elementares Grundrecht und von einem funktionierenden Rechtsstaat nicht wegzudenken. Strafverteidiger:innen bilden ein wichtiges Korrektiv aber auch eine Ergänzung zur Staatsanwaltschaft und zur Richterschaft. Art. 6 Abs 3 lit. c EMRK lautet wie folgt (siehe auch § 7 Abs 1 StPO): "Jeder Angeklagte hat mindestens die folgenden Rechte: sich selbst zu verteidigen oder den Beistand eines Verteidigers seiner Wahl zu erhalten und, falls er nicht über die Mittel zur Bezahlung eines Verteidigers verfügt, unentgeltlich den Beistand eines Pflichtverteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist."

Die Verteidiger:in ist gesetzlich verpflichtet, "jedes Verteidigungsmittel zu gebrauchen". Daher stehen Strafverteidiger:innen ein breites Spektrum an Handlungs- und Argumentationsmöglichkeiten zur Verfügung. Unsachliche oder beleidigende Äußerungen sind aber weder unter dem Gesichtspunkt gewissenhafter Vertretung noch unter jenem der Meinungsfreiheit zulässig. Bekannt wurde ein Fall, wo ein Rechtsanwalt standeswidrig den Eindruck erzeugte – im Widerspruch zur Wertung des Verbotsgesetzes – notorische Tatsachen des nationalsozialistischen Völkermordes zu bezweifeln oder relativieren.

Verteidigerzwang und Verfahrenshilfe

In bestimmten Fällen ist die Vertretung durch eine Verteidiger:in gesetzlich vorgeschrieben, beispielhaft bei Fällen von Untersuchungshaft oder Hauptverfahren vor Landesgerichten als Geschworenen- oder Schöffengerichten beziehungsweise in Verfahren, in denen es um die Unterbringung in Anstalten für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher:innen oder gefährliche:n Rückfallstäter:innen geht.

Ein Beschuldigter oder eine Beschuldigte kann einen Antrag auf Verfahrenshilfe und Beigebung einer Pflichtverteidiger:in stellen, wenn der oder die Beschuldigte die Kosten der Verteidigung nicht tragen kann. Dafür ist natürlich die Offenlegung der Vermögensverhältnisse erforderlich. Eine Pflichtverteidiger:in ist bei Verteidigerzwang jedenfalls zu bestellen. Daneben gibt es noch weitere Gründe für die verpflichtende Beistellung einer Pflichtverteidiger:in, insbesondere Schutzbedürftigkeit des oder der Beschuldigten (zum Beispiel gehörlos), in Rechtsmittelverfahren und bei schwieriger Sach- und Rechtslage.

In Strafverfahren ohne Verteidigerzwang und einfacher Sach- und Rechtslage kann ein Antrag auf Beigabe einer Verfahrenshelfer:in durchaus vom Strafgericht abgewiesen werden, auch wenn sich der oder die Beschuldigte wirtschaftlich keine Strafverteidiger:in leisten kann. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass die Strafrichter:in unvertretene Angeklagte im Detail anleiten muss (sogenannte Manuduktionspflicht). Allerdings wäre Beschuldigten in vielen Fällen deutlich effektiver geholfen, wenn diese bereits im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren anwaltlich vertreten sind. Denn dort werden die Grundlagen für das Hauptverfahren gelegt. Versäumnisse oder Fehler im Ermittlungsverfahren, insbesondere die (oft negative) Aussage ohne Rechtsbeistand vor der Kriminalpolizei, können in der Hauptverhandlung oft nur schwer saniert werden, unabhängig von der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage. Gerade bei solchen Einvernahmen als Beschuldigte:r ohne Rechtsbeistand gilt der etwas saloppe Spruch: "Hände falten, Mund halten."

Strafverteidiger:in und Psycholog:in

Im Ergebnis kann zusammengefasst werden, dass Strafverteidiger:innen für die wirksame Vertretung vor Staatsanwaltschaften und Strafgerichten unerlässlich sind. Im Vordergrund steht natürlich die fachliche Arbeit. Allerdings sind Ermittlungs- und Hauptverfahren für Beschuldigte emotional sehr belastend, zumal sich Strafverfahren oft über Jahre ziehen. Strafverteidiger:innen sind daher nicht nur Rechtsfreunde, sondern auch Wegbegleiter, um Strafverfahren emotional leichter zu verarbeiten. Die psychologische Komponente ist aber nicht Teil der juristischen Grundausbildung – was ein Versäumnis darstellt. Im Übrigen sollte auch die Bevölkerung deutlich besser aufgeklärt werden, wie wichtig die zeitnahe Beiziehung von Strafverteidiger:innen ist. Ein gutes Beispiel ist etwa der Fall Karmasin, wo tätige Reue rechtzeitig ausgeübt wurde – was wohl auf die zeitgerechte Beiziehung eines Strafverteidigers (siehe Randziffer 45 in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes) zurückzuführen ist. (Bernhard Campara-Kopeinig, 29.4.2024)