Anemonensee, Grundwasserstand, Österreich
Unter niedrigen Grundwasserspiegeln leiden auch Seen wie beispielsweise der Anemonensee in Wiener Neustadt, der im vergangenen Jahr beinahe austrocknete.
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Österreich hat das Glück, dass es dem Land vielerorts nicht an Wasser mangelt – "noch nicht", sagen Expertinnen und Experten. Denn während der Wasserbedarf steigt, schrumpfen die Ressourcen: Laut der Studie Wasserschatz Österreich von 2021 wird das Land bis 2050 elf bis 15 Prozent mehr Wasser benötigen. Gleichzeitig könnten die Grundwasserstände um bis zu 23 Prozent sinken. Dafür ausschlaggebend seien neben der höheren Nutzung von Wasser auch steigende Hitze, Verdunstung, Starkregenereignisse und weniger Schnee durch den Klimawandel.

"Gerade in Ost- und Südösterreich wird es in Zukunft mehr Nutzungskonflikte ums Grundwasser geben", sagt Sebastian Theissing-Matei, Wasserexperte bei der Umweltschutzorganisation Greenpeace: zwischen Landwirten, die ihre Felder bewässern müssen, Hausbesitzern, die ihre Pools füllen, und Industriebetriebe, die Wasser für die Produktion brauchen. Konflikte, wie es sie in den vergangenen Jahren etwa bereits rund um den Neusiedler See gegeben habe.

Fehlender Überblick

Das Problem: "Es gibt aktuell niemanden, der einen Überblick darüber hat, wer wie viel Wasser verbraucht." Seit einigen Wochen fordern Greenpeace und der Niederösterreichische Rechnungshof daher ein digitales Wasser-Melderegister, das zeigen soll, wie viel Grundwasser Industrie- und landwirtschaftliche Betriebe zu welcher Zeit entnehmen. Industrien, die zu viel oder gefährdete Grundwasservorräte entnehmen, sollen künftig für dieses Wasser zahlen müssen, so ein weiterer Greenpeace-Vorschlag.

Am Mittwoch wird die Idee eines Melderegisters nach einem Antrag der SPÖ auch im Umweltausschuss im Parlament behandelt. Wie sinnvoll ist der Vorschlag?

Starke Beeinflussung

"Viele sehen Österreich nach wie vor als wasserreiches Land. Deshalb hat auch niemand damit gerechnet, dass die Grundwasserstände so schnell sinken können", sagt Daniela Fuchs-Hanusch, Wissenschafterin am Institut für Siedlungswasserwirtschaft und Landschaftswasserbau der TU Graz. Bereits seit 2015 sei ein Sinken der Grundwasserstände in Zentraleuropa zu beobachten, das vielerorts auch mit einer starken Wassernutzung verbunden sei. Eine drohende Wasserknappheit, wie es Greenpeace formuliert, gebe es hierzulande zwar nicht, dafür aber eine starke Beeinflussung vieler Grundwasserkörper.

Ein Wasser-Melderegister hält die Expertin daher für sehr notwendig. Denn während man bei der Trinkwasserversorgung sehr genau über den Verbrauch Bescheid wisse, fehlten diese Messungen in der Industrie und in der Landwirtschaft. Zwar werden die Bewilligung für die Wasserentnahme und die darin gewährten Konsensmengen für Industrie und Landwirtschaft derzeit in den Wasserbüchern der Länder erfasst. "Darin sind aber nur die Maximalmengen festgelegt. Zudem sind die Wasserbücher unvollständig und laufen bei keiner übergeordneten Stelle zusammen", sagt Theissing-Matei.

70 Prozent für Industrie

"Es müsste in der heutigen Zeit eigentlich selbstverständlich sein, dass auch in der Landwirtschaft und Industrie gemessen wird, wann wie viel Grundwasser entnommen wird", sagt Fuchs-Hanusch – vor allem deshalb, weil es in Österreich extrem viele Wasserrechte gebe. Mit einem solchen Melderegister könne man etwa feststellen, wo und wann der Verbrauch besonders hoch ist und welche Ursachen es dafür gibt.

Schätzungen zufolge entfallen 70 Prozent des gesamten Wasserbedarfs auf die Industrie, 24 Prozent auf Haushalte und vier Prozent auf die Landwirtschaft. Dabei handelt es sich jedoch zu einem Großteil um Oberflächengewässer, etwa von Flüssen, das die Industrie beispielsweise für die Kühlung verwendet und dann wieder zurückleitet.

Anders sieht es jedoch aus, wenn es allein ums Grundwasser geht, dessen Nutzung auch mit mehr Konflikten verbunden ist, sagt Theissing-Matei. 33 Prozent des genutzten Grundwassers entfalle auf Haushalte, 30 Prozent auf Industrie und Gewerbe, insbesondere auf die Chemieindustrie, zehn Prozent auf die Landwirtschaft, der Rest auf öffentliche Einrichtungen. Regional und zu bestimmten Zeiten könne es noch einmal große Unterschiede geben: "Rund um den Neusiedler See ist die Landwirtschaft zum Teil für 80 Prozent oder mehr der Grundwassernutzung verantwortlich."

Grundwasserniveaus derzeit gut

Der aktuelle Wasserbedarf könne aus dem Grundwasser nachhaltig gedeckt werden, heißt es aus dem Österreichischen Landwirtschafts- und Wasserministerium auf STANDARD-Anfrage. Im Vergleich zum Vorjahr gehe es Österreichs Wasservorräten heuer wieder besser. In den vergangenen Monaten habe es viel geregnet, die Grundwasserniveaus seien in den meisten Grundwassergebieten Österreichs derzeit auf durchschnittlichem bis hohem Niveau.

Dennoch können Trockenperioden vereinzelt immer wieder zu Engpässen beim Grundwasser führen. Im ungünstigsten Szenario der Studie Wasserschatz Österreich könnte 2050 in einigen Regionen Ostösterrreichs der Bedarf für Wasserentnahmen die verfügbare Grundwasserressource übersteigen, heißt es aus dem Ministerium. Das liegt auch daran, dass der Wasserbedarf steigt: Bis 2050 könnte sich etwa der Wasserbedarf der Landwirtschaft für die Bewässerung verdoppeln.

Noch einiges zu klären

Man arbeite deshalb bereits gemeinsam mit den Wasserwirtschaftsabteilungen der Länder an der Erstellung eines Wasserentnahmeregisters, heißt es aus dem Ministerium. Es gebe allerdings noch einige Dinge zu klären: etwa ab welcher Mengenschwelle die tatsächlichen Entnahmen erfasst würden oder wie das Prozedere der Erfassung im Register laufen könne.

"So eine Umstellung geht sicher nicht von heute auf morgen", sagt Fuchs-Hanusch. Im Gegensatz zu Theissing-Matei, der für eine öffentliche Verfügbarkeit dieser Daten plädiert, rät Fuchs-Hanusch davon jedoch ab. "Es geht bei Wasser um äußerst sensible Daten, die nicht einfach öffentlich verfügbar gemacht werden sollten."

Bepreisung von Wasser

Mit einem digitalen Melderegister allein wäre zwar noch nichts gewonnen, es sei aber eine Grundvoraussetzung für eine zielgerichtete Politik, sagt Theissing-Matei. Als weitere Maßnahme gegen Wassermangel in der Zukunft schlägt Greenpeace vor, dass Industriebetriebe in Österreich für die Entnahme von Grundwasser zahlen sollen, wenn der Zustand der Ressourcen gefährdet ist. "Der Bund könnte dann einen bestimmten Preis pro Kubikmeter Wasser festschreiben und mit dem eingenommenen Geld jene Betriebe fördern, die auf wassersparende Technologien umsteigen", sagt Theissing-Matei. In Deutschland werde das bereits von einigen Bundesländern so gemacht.

Innerhalb der Industrie stößt dieser Vorschlag auf Ablehnung. 84 Prozent des Wassers entnehme die Industrie aus Oberflächengewässer, und selbst der Rest des Grundwassers werde zur Hälfte aus Brunnen im Nahbereich großer Fließgewässer entnommen, heißt es aus der Industriellenvereinigung auf STANDARD-Nachfrage. Von einer "Gefährdung der Grundwasserkörper" durch die Industrie könne daher keine Rede sein.

Eine Bepreisung von Wasser sei eine Erfindung neuer Kosten, die in Zeiten hoher Inflation kein sinnvoller Vorschlag sei und lediglich Verunsicherung bei allen Nutzern von Wasser und Bürokratie schaffe. Man leiste bereits einen Beitrag zu einer effizienten und nachhaltigen Nutzung von Wasser und sehe die Ressource als zentralen Standortvorteil.

Wasser besser wiederverwenden

Auch im Landwirtschaftsministerium kann man diesem Vorschlag wenig abgewinnen. Wasserknappheit sei in Österreich bislang nur in einzelnen Fällen lokal aufgetreten und sei auch künftig nur zeitlich und räumlich begrenzt zu erwarten. Anhand von Bewilligungsverfahren könne man derzeit bereits sicherstellen, dass Wassernutzungen wassersparend erfolgen und die Ressource nicht übernutzt wird, heißt es. Im Gegensatz zu einem Melderegister sei eine Bepreisung von Wasser derzeit nicht erforderlich und auch nicht angedacht.

Langfristig gebe es laut Fuchs-Hanusch aber noch in einigen anderen Bereichen Handlungsbedarf, um Grundwasservorräte in Zukunft besser zu bewahren. "Wasserwiederverwendung muss zum Standard werden, auch in den Haushalten", sagt sie. Zudem müsse Niederschlag lokal besser gehalten werden, anstatt durch die Versiegelung vielerorts in den Abfluss zu laufen. "Alles, was uns wieder zu einem natürlichen Wasserkreislauf bringt, ist begrüßenswert." (Jakob Pallinger, 9.5.2024)