Zunächst sah es aus wie eine weitere Finte in einem monatelangen Katz-und-Maus-Spiel. "Donald Trump tut so, als wolle er mit mir debattieren", erklärte Joe Biden in einem Video auf der Plattform X: "Mach mir eine Freude, Kumpel! Ich tue es sogar zweimal!" Mit einem Seitenhieb auf den Schweigegeldprozess, der mittwochs pausiert, forderte der Präsident seinen Herausforderer zur Terminverabredung auf: "Ich höre, du hast mittwochs Zeit", so Biden mit einem Seitenhieb auf Trumps prozessfreie Tage.

Überraschenderweise dauerte es keine zwei Stunden, bis Donald Trump einschlug und die Termine für zwei Fernsehduelle der beiden Präsidentschaftsbewerber feststanden. Es sei ihm "eine Ehre", die Einladungen der Sender CNN (für den 27. Juni) und ABC (für den 10. September) anzunehmen, versicherte Trump auf seinem Propagandakanal Truth Social und teilte seinerseits gegen den "schlechtesten Disputanten, der mir je begegnet ist" aus: "Er kann keine zwei Sätze bilden."

Früh dran

Wenn nicht kurzfristig einer der beiden Politiker einen Rückzieher macht, wird es also in sechs Wochen (21 Uhr US-Zeit) zu einem in mehrfacher Hinsicht bemerkenswerten Ereignis kommen: Es wäre nicht nur das erste persönliche Zusammentreffen der Dauerkontrahenten seit ihrem TV-Duell im Oktober 2020, sondern auch das terminlich früheste in der Geschichte des Fernsehens und das erste seit 40 Jahren, das nicht von der traditionellen überparteilichen Kommission ausgerichtet wird.

Die Kommission für TV-Debatten bleibt diesmal außen vor.
AP/Mary Altaffer

Auf den ersten Blick am erstaunlichsten aber ist, wie lautlos und schnell die Einigung der beiden Kontrahenten zustande kam. Offenbar war hinter den Kulissen schon länger verhandelt worden. "Jederzeit, überall" sei er zu einem verbalen Schlagabtausch bereit, hatte Trump den Präsidenten provoziert. Dessen Berater schienen von der Idee zunächst wenig begeistert: Der 81-Jährige ist ein schlechter Redner, er verhaspelt sich öfter und vergaloppiert sich gelegentlich auch inhaltlich beim freien Formulieren. Die Gefahr eines Patzers gegen den verbalen Bulldozer Trump scheint offensichtlich.

2020 mit Covid, ohne Maske

"Ich persönlich würde nie empfehlen, mit Donald Trump auf eine Bühne zu gehen", kommentierte Nancy Pelosi, die ehemalige demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses, am Mittwoch denn auch das plötzliche Angebot Bidens: "Trump hat Hillary Clinton verfolgt. Er war nicht professionell, er war nicht präsidial, er wurde der Würde des Amtes nicht gerecht", erinnerte sie an die fatale Auseinandersetzung vor laufenden Kameras im Jahr 2016. Bei vielen Demokraten unvergessen ist auch, wie Trump im September 2020 offenbar trotz einer Covid-Erkrankung ohne Maske an der ersten Debatte mit Biden teilnahm und diesen bepöbelte.

The American Way: das Duell Biden gegen Trump 2020 in einem Drive-in.
AP/Jeff Chiu

Dass sich Biden nun gleichwohl für die TV-Duelle entschieden hat, dürfte vor allem an seinen beunruhigend schlechten Umfragewerten liegen. Trotz einer millionenschweren Anzeigenkampagne und der juristischen Probleme seines Herausforderers liegt der Amtsinhaber nach einer aktuellen Erhebung der New York Times in fünf von sechs wichtigen Swing-States hinter Trump. Beide sind unbeliebt, aber der Präsident wird nur von 40 Prozent der Wähler positiv gesehen, sein Vorgänger von 45 Prozent.

Kein Publikum

Offenbar hoffen die Biden-Berater nun, durch die direkte Konfrontation der Bewerber deren charakterliche und inhaltliche Unterschiede deutlicher machen zu können. Der Präsident dürfte eindringlich vor den Konsequenzen einer Stimmabgabe für Trump warnen, der demokratische Spielregeln und Gesetze nur so lange achtet, wie sie ihm passen.

Beim Gedanken an ein weiteres Duell zwischen Donald Trump und Joe Biden wird manchen schwummerig.
REUTERS/Mike Segar

Tatsächlich konnte Biden im Vorfeld wichtige Zugeständnisse bei den Modalitäten für den Schlagabtausch erreichen: So werden die Debatten von den Sendern CNN und ABC veranstaltet – und zwar in Fernsehstudios weitgehend ohne Publikum. Damit geht der rechte Kanal Fox News leer aus, und Trumps Anhänger können nicht lautstark jubeln. Aufgrund neuer Regeln bleibt auch der unabhängige Kandidat Robert F. Kennedy ausgesperrt, was sowohl im Interesse Bidens wie auch Trumps liegt. Und schließlich reduziert der extrem frühe erste Termin – noch vor den offiziellen Nominierungen auf den Parteitagen im Juli und August – das Risiko eines möglichen für November entscheidenden Patzers.

"Trump hat gesagt, er organisiert seine Anreise selbst", gab sich Biden derweil bei X demonstrativ siegessicher: "Ich komme mit meinem Flugzeug. Und ich habe vor, es für weitere vier Jahre zu behalten." (Karl Doemens aus Washington, 16.5.2024)