Christian Thielemann leitete Brahms' Erstes Klavierkonzert.
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Am Ende lagen sie einander in den Armen wie Fußballspieler nach dem Siegestreffer: Pianist Igor Levit drückte Dirigent Christian Thielemann, Konzertmeister Rainer Honeck und Primgeiger Daniel Froschauer wurden bald ebenso geherzt. Die Glückshormone sprudelten nur so, während der Beifall die Bühne umtoste: That's amore!, mochte man als Beobachter am Samstagnachmittag im Großen Musikvereinssaal konstatieren.

Musikalisch hatte sich die Verbundenheit zwischen den Akteuren genauso stark verdeutlicht: Die Wiener Philharmoniker und ihre beiden Stargäste befanden sich im Ersten Klavierkonzert von Johannes Brahms nicht nur auf einer Wellenlänge, sie surften geradezu auf einer Energiewelle. Ein leidenschaftlicher, doch penibler Interpretationsansatz wirkte bereits im Kopfsatz Wunder: Steigerten sich die Schallpegel auch phasenweise aggressiv, vergröberte sich der agile Sound dadurch nicht. Und wenn die Philharmoniker sanfte Passagen mit all ihrem Luxusklang adelten, ging das Tempo darum nicht genusssüchtig auf Talfahrt. Kurz: In diesen 50 Minuten vermittelte sich eine unwiderstehliche Dosis Gefühl – zugleich aber auch die ausgefeilte Struktur von Brahms' Meisterwerk glasklar.

Und Igor Levit? Hatte allen Grund, bei der Tastenarbeit selbstzufrieden in sich hineinzulächeln: Am Samstag schier in Überform, fand er stets das goldrichtige Tempo und stufte seinen Tonfall nach Belieben ab. Mal ließ er Notenketten im sanften Verbund mit Pizzicati wispern, mal donnerte sein Steinway mit der Pauke um die Wette. Danach Brahms' Zweite Symphonie, teils monumentaldramatisch wie ein Götterdämmerung-Finale, teils zierlich wie ein Haydn-Menuett: Sternstundenalarm. (Christoph Irrgeher, 15.4.2024)