Es ist ein noch nie da gewesener Höhenflug, der Goldpreis bricht einen Rekord nach dem anderen. Ende vergangener Woche kostete eine Feinunze (etwa 31,1 Gramm) vorübergehend mehr als 2.400 US-Dollar (2.237,6 Euro), aktuell notiert der Preis knapp unter dieser historischen Marke. Auch Silber wurde auf dem höchsten Stand seit Februar 2021 gehandelt.

Dieser Preisanstieg überrascht viele Marktteilnehmer, weil die Gründe früherer Rallys nicht vorliegen. In der Vergangenheit stieg die Goldnachfrage bei tiefen Zinsen und schwachem Dollar, beides ist aktuell nicht der Fall. Woran liegt es also, dass so viele nach Gold gieren? Eine einfache Antwort gibt es nicht, doch drei Faktoren spielen zusammen, die die Nachfrage erklären.

Der Aufschwung des Goldes verblüfft einige Marktbeobachter, denn die realen US-Zinsen sind weiterhin hoch, was für Gold normalerweise nachteilig ist.
APA/dpa/Uli Deck

Geopolitische Spannungen

Gold gilt seit jeher als krisensichere Anlage, dementsprechend haben die jüngsten Spannungen im Nahen Osten mit dem Drohnenangriff des Iran auf Israel und die seit langem prekäre Lage in der Ukraine dem Rohstoff Auftrieb verliehen. Dazu kommt eine weiterhin angespannte Situation bei den internationalen Lieferketten.

Zentralbanken in Kauflaune

Notenbanken großer Staaten sind in Goldkauflaune wie selten zuvor und stocken seit fast einem Jahr monatlich ihre Reserven auf, wie Daten des Branchenverbands World Gold Council zeigen. China dominierte die Käufe, doch auch Indien, Brasilien und Kasachstan waren eifrige Abnehmer. Das geschieht, weil diese Staaten ihre eigenen Währungsreserven diversifizieren möchten. Zudem steckt China seit geraumer Zeit in einer Wirtschaftskrise. Die Menschen haben kein Vertrauen mehr in den einst alles beflügelnden Immobilienmarkt und flüchten sich in Gold.

Sinkender Leitzins

An Finanzmärkten spielt Glauben und Hoffen eine zentrale Rolle. Und weil momentan sehr viele Menschen darauf warten, dass demnächst die Leitzinsen sinken, befeuert das ebenso die Nachfrage nach Gold. Bei hohen Leitzinsen investieren Marktteilnehmer eher in sichere, aber verzinste Anlagen, weil das Edelmetall keine laufenden Erträge abwirft und man nur vom Kursgewinn profitieren kann.

Zumindest in Europa könnte die Zeit der hohen Leitzinsen aber bald enden. Vergangene Woche beließ die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins zwar unverändert bei 4,5 Prozent, doch das Gros der Finanzmarktexperten erwartet im Juni eine Senkung um einen Viertelpunkt. Damit könnte die EZB ihrem US-amerikanischen Pendant, der Federal Reserve (FED), sogar zuvorkommen.

In den USA zog die Inflation im März eher überraschend wieder an (von 3,2 auf 3,5 Prozent), was die Erwartungshaltung in den USA geändert hat. Bisher ging man auch hier von einer zeitnahen Zinswende aus, das halten viele Marktbeobachter mittlerweile aber für unwahrscheinlich. Die FED hält den Leitzins in der Spanne von 5,25 Prozent bis 5,50 Prozent. Eine Senkung bereits Anfang Mai gilt als praktisch ausgeschlossen. Auch ein erster Schritt nach unten im Juni wird an den Finanzmärkten inzwischen als eher unwahrscheinlich angesehen.

Preisentwicklung

"Der Goldpreisrally ist nach den über den Erwartungen liegenden US-Inflationsdaten erneut nur kurz die Puste ausgegangen", sagt Rohstoffexperte Carsten Fritsch von der Frankfurter Commerzbank. "Da diese Woche wenige brisante US-Daten anstehen, ist nicht davon auszugehen, dass das Edelmetall vorerst stärker unter Druck gerät."

Über die Marschrichtung des Goldpreises herrscht bei Großbanken wie Goldman Sachs oder UBS ziemliche Einigkeit: es wird weiter bergauf gehen. Spätestens wenn die Zinswende tatsächlich eintrete, werde die Nachfrage weiter steigen, heißt es. Von einer Bandbreite zwischen 2.500 und 3.000 Dollar pro Feinunze ist die Rede. (Andreas Danzer, 15.4.2024)