Eine künstlerische Darstellung des Gammastrahlenblitzes, der von einem Schwarzen Loch im Zentrum ausgeht.
Aaron M. Geller / Northwestern / CIERA / IT Research Computing and Data Services

Wer ein Foto aufnehmen will, muss zusehen, dass nicht zu viel und nicht zu wenig Licht auf den Bildsensor trifft. Nichts ist lästiger als ein überbelichtetes Foto.

Doch am 9. Oktober 2022 passierte in der Astrophysik genau das: Ein Gammastrahlenblitz erreichte die Erde, der die meisten Messgeräte überforderte. Niemand hatte mit einem so starken Ereignis gerechnet.

"Es steht außer Frage, dass dieser Blitz der hellste ist, den wir je beobachtet haben, seit wir in der Lage sind, Gammastrahlenblitze zu entdecken und zwar um ein Zehnfaches oder mehr", sagte Astronom Wen-fai Fong vom Weinberg College of Arts and Sciences der Northwestern University in Chicago.

Das Ereignis, das die Fachbezeichnung GRB221009A trägt, wurde fortan liebevoll B.O.A.T. genannt – "brightest of all times", hellstes aller Zeiten.

Schwarzes Loch

Schon bald war vermutet worden, dass der Kollaps eines Sterns zu einem Schwarzen Loch infolge einer Supernova-Explosion dafür verantwortlich gewesen sein könnte.

Dieser Verdacht ließ sich nun durch Beobachtungen des James-Webb-Weltraumteleskops erhärten, wie eine internationale Forschungskollaboration rund um ein Team von der Northwestern University nun in einer neuen Studie im Fachjournal "Nature Astronomy" berichtet.

Das Webb-Teleskop fand die 2,4 Milliarden Lichtjahre entfernten Überreste der Supernova. Die Bestätigung lieferten Spuren von Kalzium- und Sauerstoffatomen, die bei Supernova-Explosionen entstehen. Doch dabei stieß das Team auf eine Überraschung.

Dieses Nasa-Video zeigt die Bilder vom Gammastrahlenausbruch GRB221009A.
NASASpaceNews

"Normale" Supernova

Ein Ereignis wie der B.O.A.T. zog bereits 2022 alle Aufmerksamkeit der Astrophysik-Gemeinde auf sich. Doch anfangs war es nicht möglich, mehr darüber herauszufinden. "Der Strahlungsausbruch war so hell, dass er in den ersten Wochen und Monaten nach dem Ausbruch jede mögliche Supernova-Signatur verdeckte", sagt Studienerstautor Peter Blanchard von der Northwestern University. "Zu dieser Zeit war das sogenannte Nachleuchten des Ausbruchs wie die Scheinwerfer eines Autos, die direkt auf einen zukommen und verhindern, dass man das Auto selbst sieht. Wir mussten also warten, bis es deutlich abflaute, um die Chance zu haben, die Supernova zu sehen."

Selbst Monate später war es immer noch schwer, die unterschiedlichen Lichtquellen zu trennen. Dabei halfen zusätzliche Beobachtungen mit dem Radioteleskop Alma, kurz für Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array.

Als sich die Reste der Supernova endlich beobachten ließen, erwies sie sich als überraschend normal. "Sie ist nicht heller als frühere Supernovae", sagt Blanchard. "Im Vergleich zu anderen Supernovae, die mit weniger energiereichen Gammastrahlenausbrüchen in Verbindung gebracht werden, sieht sie ziemlich normal aus." Dabei hätte man erwarten können, dass derselbe kollabierende Stern, der einen sehr energiereichen und hellen Gammastrahlenblitz erzeugt, auch eine überdurchschnittlich helle Supernova hervorbringen würde. Das sei aber nicht der Fall gewesen.

Das Nachleuchten des B.O.A.T. etwa eine Stunde nach seiner Entdeckung.
NASA/Swift/A. Beardmore (Universität von Leicester)

Fehlende schwere Elemente

Die Supernova lieferte noch eine weitere Überraschung. "Als wir bestätigten, dass der Gammastrahlenausbruch durch den Kollaps eines massereichen Sterns erzeugt wurde, gab uns das die Möglichkeit, eine Hypothese zu testen, wie einige der schwersten Elemente im Universum entstehen", sagt Blanchard. Doch das Ergebnis war negativ. "Wir haben keine Spuren dieser schweren Elemente gefunden."

Bisher ist noch nicht genau verstanden, wie Elemente, die schwerer als Eisen sind, im Universum produziert werden. Zwar ist inzwischen bestätigt, dass die Kollision von Neutronensternen, wie sie von den Gravitationswellenobservatorien Ligo und Virgo beobachtet wurde, solche schweren Elemente erzeugt, doch diese Ereignisse seien zu selten, um die im Universum beobachteten Mengen zu erzeugen.

"Es gibt wahrscheinlich eine andere Quelle", sagt Blanchard. Das lasse sich auch an der Tatsache sehen, dass sehr alte Sterne bereits schwere Elemente enthielten, zu einer Zeit, bevor es Neutronensternkollisionen gab.

Ereignisse wie der B.O.A.T. waren ebenfalls als mögliche Quelle schwerer Elemente im Gespräch. Doch das Fehlen von Spuren davon legt nahe, dass zumindest die Ereignisse hinter den extremsten Gammastrahlenausbrüchen keine schweren Elemente hervorbringen.

"Alles deutet darauf hin, dass extrem energiereiche Gammastrahlenausbrüche wie der B.O.A.T. diese Elemente nicht erzeugen", betont Blanchard. Das bedeute nicht, dass Gammastrahlenausbrüche diese Elemente generell nicht produzierten, aber es sei eine wichtige Information für unser Verständnis, woher diese schweren Elemente stammten.

Seltener Glücksfall

"Dies war ein Ereignis, das auf der Erde nur einmal alle 10.000 Jahre vorkommt. Wir haben das Glück, in einer Zeit zu leben, in der wir die Technologie haben, um solche Ausbrüche im Universum zu entdecken", sagt Blanchard. (Reinhard Kleindl, 15.4.2024)