Das ist der Herausforderer in Innsbruck: Nicht der FPÖ-Kandidat, nicht der ÖVP-Kandidat, sondern Hannes Anzengruber, der sich mit "Ja" seine eigene Liste zusammenstellte.
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Innsbruck bleibt eine sehr bewegte Stadt, auch bürgerlich, selbst wenn jene Vertreter, die vorgeblich für das Bürgerliche stehen, am Sonntag bei der Gemeinderatswahl nicht reüssieren konnten. Einmal mehr wurde demonstriert, dass die ÖVP in den Städten wenig zu melden hat.

Freilich ist Innsbruck ein Sonderfall, in mehrerlei Hinsicht. Das konservative Lager hat sich aufgespalten, die Versöhnungsversuche liefen ins Leere. So setzte es eine herbe Niederlage für den offiziellen ÖVP-Kandidaten Florian Tursky, der als Retter vom Staatssekretariat in Wien nach Innsbruck wechselte – und unterging. Damit hat sich eine Nachwuchshoffnung der ÖVP von der Bühne verabschiedet.

Die KPÖ, die in anderen Landeshauptstädten schon eine tragende Rolle spielt, konnte dieser Vorgabe in Tirol nicht ganz gerecht werden: Mit dem Kommunismus können die Innsbrucker nicht so viel anfangen, aber immerhin schaffte es die KPÖ in den Gemeinderat. Die FPÖ ist die drittstärkste Kraft in der Stadt, blieb aber mit einem Minus hinter den prognostizierten Erwartungen zurück. Die überraschende Paarung in der Stichwahl: Der Grüne Georg Willi, bisher Bürgermeister, muss gegen Johannes Anzengruber von der Liste Ja antreten. Anzengruber wurde aus der ÖVP, wo er sich nicht unterbuttern lassen wollte, ausgeschlossen. Ein durchaus interessantes Ergebnis, das die Einzigartigkeit von Innsbruck auf der politischen Landkarte unterstreicht.

Ungute Stimmung, links wie rechts

13 Listen für den Gemeinderat und ebenso viele Bürgermeisterkandidatinnen und -kandidaten standen zur Wahl, das ist für eine Stadt mit gut 100.000 Wahlberechtigten recht viel. In der ablaufenden Regierungsperiode waren elf Listen und drei freie Mandatare im Gemeinderat vertreten, das machte nicht nur das Regieren schwierig, sondern trug auch dazu bei, dass sich nahezu jeder mit jedem verkrachte und die Stimmung zunehmend ungut wurde, links wie rechts. Was sich auch auf die Bürgerinnen und Bürger von Innsbruck übertrug: Deren Politikverdrossenheit wurde immer stärker greifbar. Der aggressiv ausgetragene Wahlkampf trug dazu bei, das Vertrauen in die etablierte Politik auszuhöhlen - und Raum für Neues zu schaffen.

So bunt das Ergebnis jetzt ist, so schwierig wird es: Wer auch immer nach der Wahl in einer Koalition zueinanderfindet, wird sich schwertun, in dieser polarisierten Stadt Frieden zu stiften und die Arbeit wieder in den Vordergrund zu stellen. Das wird noch ein langer Weg. (Michael Völker, 14.4.2024)