Frau spritzt Abnehmspritze in Bauchfalte
Noch fehlen Langzeitstudien, aber womöglich helfen Diabetes- und Adipositas-Medikamente auch dabei, Parkinson-Symptome zu lindern.
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Die vergangenen Jahre waren in Sachen Parkinson-Forschung frustrierend: Es liefen zwar viele klinische Untersuchungen und vielversprechende Studien, aber erfreuliche Ergebnisse blieben aus. Forscherinnen und Forscher tappten bei der Krankheit lange Zeit im Dunkeln. Man fand einfach keine neuen, vielversprechenden Behandlungsansätze für die nach Alzheimer zweithäufigste degenerative Hirnerkrankung.

Und ähnlich wie bei Alzheimer ist auch Parkinson aktuell nicht heilbar, man kann das Fortschreiten der Krankheit nur verlangsamen und die Symptome aufhalten. Dazu gehören etwa starkes Zittern, verlangsamte Bewegungsabläufe, Steifheit sowie Gleichgewichtsstörungen. Das alles kann zu Schwierigkeiten beim Gehen, Sprechen und Schlucken führen. Hierzulande sind etwa 20.000 bis 30.000 Menschen betroffen, viele von ihnen entwickeln später eine Demenz.

Hoffnungsschimmer in der Forschung

Umso wichtiger seien bereits im frühen Krankheitsstadium Therapien, die gut greifen, betont Walter Pirker, ehemaliger Präsident der Österreichischen Parkinson-Gesellschaft. Und genau da kommt jetzt nach "vielen Jahren, in denen es in der Forschung mühsam war, ein riesiger Hoffnungsschimmer", sagt Pirker und meint damit die kürzlich veröffentlichten Ergebnisse einer französischen Studie.

Bei der Erhebung, die im "New England Journal of Medicine" veröffentlicht wurde, untersuchten Forscherinnen und Forscher die Wirkung des Medikaments Lixisenatid bei Parkinson-Betroffenen im Frühstadium – mit erfreulichen Ergebnissen: Das Arzneimittel konnte während der einjährigen Studie die Krankheit verlangsamen und die Symptome aufhalten.

Das Erstaunliche dabei: Das Medikament Lixisenatid ist ein sogenannter GLP-1-Rezeptor-Agonist. Das sind blutzuckersenkende Arzneistoffe, die vor allem zur Therapie bei Typ-2-Diabetes eingesetzt werden. Zuletzt hat man diese GLP-1-Rezeptor-Agonisten auch vermehrt für die Adipositas-Behandlung genutzt. Um die Abnehmspritze ist ein regelrechter Hype entstanden, DER STANDARD berichtete.

Vielversprechender Ansatz

Dass diese GLP-1-Rezeptor-Agonisten ein vielversprechender Ansatz sein könnten, hoffte man in Fachkreisen schon länger. Grund dafür war ein Forschungsprojekt aus Großbritannien, in dem Wissenschafter und Wissenschafterinnen bereits vor einigen Jahren das Antidiabetikum Exenatid untersuchten. Die Ergebnisse waren durchaus erfreulich, allerdings wurde die damals sehr kleine Studie von Fachleuten methodisch heftig kritisiert. Trotzdem hielt man an dem vielversprechenden Ansatz fest, und das britische Forschungsprojekt wurde fortgesetzt. Aktuell läuft in diesem Projekt eine Phase-3-Studie, die demnächst abgeschlossen werden soll.

Bei der französischen Untersuchung, deren Ergebnisse aktuell Wellen schlagen, handelt es sich um eine Phase-2-Studie, finanziert von der französischen Regierung und der britischen Wohltätigkeitsorganisation Cure Parkinson's. Dabei wurden 156 Patientinnen und Patienten in einem frühen Stadium der Erkrankung untersucht. Sie alle waren während der Studie unter Therapie, das heißt, eine Gruppe der Betroffenen erhielt zusätzlich zur herkömmlichen Parkinson-Standardtherapie das Diabetesmedikament, die andere Gruppe ein Placebo.

Das Ergebnis: Bei jenen aus der Placebo-Gruppe haben sich die Symptome innerhalb des einjährigen Untersuchungszeitraums deutlich verschlechtert. Bei all jenen, die den GLP-1-Rezeptor-Agonisten verabreicht bekamen, haben sich die Symptome hingegen nicht weiter verschlechtert. "Das ist ein absolut positives Signal und ein großer Hoffnungsschimmer", zeigt sich Pirker erfreut.

Wie genau es zu der erfreulichen Wirkung kommt, ist noch nicht ganz klar, die Mechanismen dahinter sind noch nicht ausreichend erforscht. Aber es gibt Erklärungsansätze: Bei Untersuchungen des Gehirngewebes verstorbener Parkinson-Betroffener zeigte sich, dass auch Patientinnen und Patienten, die nicht an Diabetes litten, trotzdem eine Insulinresistenz hatten. Die GLP-1-Medikamente setzen genau da an und behandeln die Insulinresistenz.

Diabetes und Parkinson sind also eng miteinander verbunden. Und dass Menschen mit Diabetes ein erhöhtes Risiko haben, später auch Parkinson zu entwickeln, ist mittlerweile gut belegt. Gleichzeitig zeigt die Forschung auch, dass Diabetes-Erkrankte, die mit GLP-1-Rezeptor-Agonisten behandelt werden, im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ein geringeres Parkinson-Risiko haben. "Insulin wirkt sich also auch auf die Nervenzellen aus. Und man geht davon aus, dass diese Art von GLP-1-Medikamenten die Nervenzellen schützt", erklärt Pirker.

Der Effekt könnte aber auch mit der Kalorienrestriktion zusammenhängen, sagt der Experte. "Schließlich weiß man, dass ein gewisses Hungern wie etwa beim Intervallfasten lebensverlängernd wirkt, weil es die Zellerneuerung beeinflusst. Diese Studien werfen also hochinteressante Fragen auf."

Starke Übelkeit

Es gab aber auch einen weniger erfreulichen Nebeneffekt bei der Studie: Bei mehr als der Hälfte der Teilnehmerinnen und Teilnehmer führte die Medikamenteneinnahme zu starker Übelkeit, teilweise mussten sich Betroffene wiederholt übergeben. Das könnte daran liegen, dass die Forscherinnen und Forscher den Betroffenen direkt die höchstmögliche Dosis verabreichten, anstatt sie schrittweise zu erhöhen, wie das bei solchen Diabetes- und Abnehmmedikamenten üblich ist. Denn grundsätzlich sind diese Nebenwirkungen bekannt. Bei einem Drittel der Studienteilnehmerinnen und Studienteilnehmer, deren Nebenwirkungen unerträglich wurden, halbierten die Forscher deshalb die Dosis.

"Es braucht noch viel mehr Forschung, um zu schauen, ob GLP-1-Rezeptor-Agonisten wirklich die endgültige Antwort für Parkinson-Betroffene sind und ob man damit wirklich irgendwann Heilung erreichen kann", sagt Pirker. Er selbst bleibe jedenfalls noch skeptisch, denn möglicherweise halte der Effekt der Medikamente nicht langfristig an. Deshalb seien jetzt vor allem Langzeitstudien wichtig. Die französische Forschungsgruppe plant eine solche, wenn sie entsprechende Fördermittel aufstellen kann. Eine erfreuliche Entwicklung, findet Pirker: "Diesen Forschungsansatz sollte man unbedingt weiter verfolgen. Und wer weiß, vielleicht liefert die nächste Studie wieder positive Ergebnisse, das wäre sehr erfreulich!" (Magdalena Pötsch, 15.4.2024)