In der Pandemie wollten die Menschen vor allem eines: raus. Das Waldviertel wurde zum begehrten Ort für viele, die auf der Suche nach einem neuen Haupt- oder Nebenwohnsitz waren. Das hat auch in der Region im nördlichen Niederösterreich für hohe Immobilienpreise gesorgt – mit die höchsten prozentuellen Preissteigerungen des Landes waren im Waldviertel zu beobachten. War ein Baugrund etwa in Weitra früher um 20 bis 25 Euro pro Quadratmeter zu haben, stieg der Preis während der Pandemie auf 47 Euro. Mittlerweile haben sich die Preise aber wieder nach unten bewegt, wie man bei Raiffeisen Immobilien weiß – wenn auch nicht auf das Niveau von vor der Pandemie.

Natur, Ruhe und dass man nachts mit offenen Fenstern schlafen kann – darauf hoffen die Zuzügler im Waldviertel.
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Die Preise für Einfamilienhäuser sanken von im Schnitt 2400 Euro pro Quadratmeter im Jahr 2022 auf 1700 Euro im Jahr 2023. 2019 musste man für einen Quadratmeter Einfamilienhaus im Waldviertel nur 1600 ausgeben. Die Preise für Eigentumswohnungen bewegten sich 2023 im Schnitt bei 1500 Euro pro Quadratmeter, 2100 Euro waren es im Jahr 2022.

Obwohl der große Run aufs Land vorbei ist, hat sich für viele Menschen der Suchradius für einen neuen Wohnort erweitert. Denn zwar arbeiten viele Menschen nun wieder seltener im Homeoffice, an zwei oder drei Tagen pro Woche tun es die meisten aber immer noch – die Folge: Das Waldviertel ist weiterhin begehrt.

Auch Zweitwohnsitzer nutzen ihre Refugien auf dem Land nun häufiger als vor der Pandemie: Anstatt nur am Wochenende, öfter auch mal an mehreren Tagen pro Woche. Die Gemeinden freut’s, auch im Waldviertel, sagt Peter Weinberger, Geschäftsführer von Raiffeisen Immobilien Niederösterreich, Wien und Burgenland und selbst gebürtiger Waldviertler. Denn die Kaufkraft der Wienerinnen und Wiener könne das Waldviertel gut gebrauchen.

Großer Sanierungsbedarf

Was sich in ganz Österreich zeigt, ist auch im Waldviertel ein Thema: Aktuell stagniert der Immobilienmarkt, weil viele Menschen durch strengere Kriterien keinen Kredit fürs Eigenheim bekommen. Das hat auch die Anzahl der Immobilientransaktionen im Waldviertel zurückgehen lassen. Hinzu kommt, dass viele Immobilien in der Region sanierungsbedürftig sind. Vor allem Objekte, in den man wenig investieren muss und die dennoch zu einem ordentlichen Preis angeboten werden, sind laut Weinberger sehr begehrt und demnach Mangelware. Viele Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer hätten zudem zu hohe Preisvorstellungen, die nicht dem Zustand des Objekts entsprächen. "Es ist ein sehr emotionales Thema, weil jeder glaubt, er hat das schönste Haus."

Früher sei die Initiative "Wohnen im Waldviertel", ein Zusammenschluss von 64 Gemeinden und mehreren Unternehmen, vor allem damit beschäftigt gewesen, Menschen zu finden, die ins Waldviertel ziehen möchten. Mittlerweile habe sich das Blatt gewendet und die Nachfrage sei groß, aber das Angebot fehle, sagt Josef Wallenberger, Standortexperte von der Wallenberger & Linhard Regionalberatung.

Wie in ganz Österreich sind durch die aktuellen Entwicklungen auf dem Immobilienmarkt auch im Waldviertel Mietwohnungen stärker gefragt. Davon gibt es in der Region allerdings viel zu wenige, sagt Weinberger. Seine Erklärung: Bei Mietpreisen von sechs bis sieben Euro pro Quadratmeter und den aktuell hohen Baukosten sei die Errichtung von Mietwohnungen nicht rentabel. Und auch viele Einfamilienhäuser seien in einem zu schlechten Zustand, als dass sie als Mietobjekte infrage kämen. Eine Möglichkeit, über die man daher bei Raiffeisen nachdenkt, sind Miet-Kauf-Optionen. "Wir müssen uns langsam etwas überlegen, weil es so viel Nachfrage aber kein Angebot gibt", sagt Weinberger.

Positive Wanderungsbilanz

Durch niedrige Geburten- und hohe Sterberaten nimmt die Bevölkerungszahl im Waldviertel zwar ab. Entgegen der landläufigen Meinung hat das Waldviertel aber eine positive Wanderungsbilanz. Doch wer sind die Menschen, die ins Waldviertel übersiedeln möchten? Die größte Gruppe der Zuzügler sind junge Menschen zwischen 22 und 33 Jahren. Darunter sind Rückkehrerinnen, aber auch Wiener, die vorwiegend aus den nördlichen Bezirken der Stadt kommen, wie Wallenberger weiß.

Viele wünschen sich, dass die Kinder im Grünen aufwachsen, und schätzen die vergleichsweise günstigen Immobilienpreise, sagt Wallenberger, und "dass man im Sommer bei offenem Fenster schlafen kann". Vor allem in den Bezirksstädten, wo die Infrastruktur gut ist, und entlang der Bahnstrecken Richtung Wien seien Wohnlagen begehrt, doch was den öffentlichen Verkehr anbelangt, komme das Waldviertel "leider nicht vom Fleck", sagt Wallenberger. Viele Junge würden sich heute wünschen, ganz auf ein Auto oder zumindest auf einen Zweitwagen verzichten zu können.

Auch das Thema Bodenverbrauch ist im Waldviertel angekommen, wie Franz Linsbauer, Landtagsabgeordneter der ÖVP und Leiter von "Wohnen im Waldviertel", betont. Daher sei man aktuell vor allem darum bemüht, Leerstand zu mobilisieren und Bestandsgebäude zu sanieren. Und was das betrifft, haben die hohen Baupreise zumindest einen Vorteil: Während das für manche Erben früher undenkbar war, würden sich viele laut Weinberger nun doch überlegen, ihr Elternhaus zu verkaufen, weil sie sich die Sanierung nicht leisten können. (Bernadette Redl, 13.4.2024)